VERSTEHENBERATENBEGLEITEN

 
Wie kommt eigentlich ein Vertrag zu Stande (Teil 2)

Nach deutschem Recht wird ein Vertrag durch zwei mit Rechtsbindungswillen abgegebene inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen geschlossen, die als „Antrag“ und „Annahme“ bezeichnet werden.
Die letzte adjuga information erläuterte Besonderheiten des Antrags anhand von Fallbeispielen. Beispielsweise fehlt es nicht selten am Rechtsbindungswillen des Erklärenden (so bei reinen Werbeaussagen oder bei einem „freibleibenden Angebot“). Doch auch ein bindender Antrag im rechtlichen Sinne führt nur zum Vertragsschluss, wenn er wirksam „angenommen“ wird. Zur Verdeutlichung dienen die weiteren Fallbeispiele:

Fall 5: Wie in Fall 4 der letzten Ausgabe sendet der Lieferant ein freibleibendes Angebot mit einem bestimmten Preis an den Käufer. Dieser antwortet nun per Fax mit einer Bestellung, gibt dabei jedoch einen um 5 % niedrigeren Preis an als vom Lieferanten mitgeteilt. Damit hat der Käufer einen Antrag, also ein Angebot im juristischen Sinne, abgegeben. Nun bestätigt der Lieferant die Bestellung per Fax, jedoch unter Angabe seines ursprünglich angegebenen Preises.
In der Bestätigung des Lieferanten liegt hier keine Annahme des Antrags, denn die Erklärungen stimmen inhaltlich nicht überein. Vielmehr handelt es sich um die Ablehnung des Antrags und die Unterbreitung eines neuen Antrags zum Abschluss eines Vertrags mit anderem Inhalt („anderer Preis“). Die Bestätigung des Lieferanten dokumentiert damit keinen Vertragsschluss sondern legt den Widerspruch offen: es ist kein Vertrag zu Stande gekommen.

 

Fall 6: Der Käufer erklärt vorbehaltlos per E-Mail die Annahme des Antrags des Lieferanten, allerdings erst zwei Monate nach Eingang des Faxes des Lieferanten. Hierin liegt rechtlich keine Annahme des Antrags, da dieser zum Zeitpunkt des Eingangs der E-Mail bereits erloschen war. Zwar ist ein Antrag ab seinem Zugang beim Empfänger für den Antragenden bindend und kann nicht widerrufen werden. Jedoch ist die Bindungswirkung zeitlich begrenzt.

Das Gesetz sieht zunächst vor, dass der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmen kann. Hat er dies nicht getan, so kann der einem „Anwesenden“ (d. h. persönlich, Telefonanruf, Video-Call) gemachte Antrag nur sofort angenommen werden. Der einem „Abwesenden“ gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen spätestens erwarten darf. Wann dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab: Während bei „einfachen“ Verträgen eine Antwort innerhalb weniger Stunden oder Tage zu erwarten ist, kann bei komplexeren Verträgen (z. B. über die Lieferung einer großen technischen Anlage) eine Annahmefrist von bis zu 4 Wochen anzunehmen sein. Wird die Annahme nach diesen Maßstäben rechtzeitig erklärt, kommt ein Vertrag zustande. Da selbst diese verlängerte Annahmefrist bereits erheblich überschritten ist, handelt es sich vorliegend um eine „verspätete Annahme“, die rechtlich als neuer Antrag gewertet wird.

Fall 7: Auf die abändernde Bestellung des Käufers mit reduziertem Preis versendet der Lieferant ohne weitere Kommunikation die Ware, welche 2 Tage später beim Käufer ankommt. Nun ist es zu einem Vertragsschluss gekommen. Eine Willenserklärung kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent, also wie in diesem Fall durch schlüssiges Handeln, abgegeben werden. Durch Versendung der Ware und deren Entgegennahme durch den Käufer hat der Lieferant konkludent die Bestellung mit dem geänderten Preis als neuen Antrag angenommen.

Eine konkludente Annahme aus Sicht des Käufers kann z. B. durch Zahlung des Kaufpreises erfolgen. Auch die Annahme und Benutzung zugesendeter Ware können im unternehmerischen Bereich - anders als im Verbraucherrecht - als konkludente Annahme gewertet werden. In der Folge entsteht dann auch die Zahlungspflicht.

Es bedarf also einer sorgfältigen Kontrolle der eigenen und der Erklärungen oder Handlungen der anderen Vertragspartei um deren rechtliche Bedeutung zu klären. Eine sorgfältige Dokumentation der abgegebenen Erklärungen vermeidet spätere Streitigkeiten über den Abschluss und Inhalt eines Vertrages.

Andreas Dömkes

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